Seit Beginn der Corona Pandemie tauchten in den Medien vermehrt Meldungen über Sichtungen von Delphinen in Venedig und anderen Orten auf. Damit verbunden machten Mythen darüber die Runde, dass sich die Bestände der Meeressäuger im Mittelmeer durch den Rückgang der Schifffahrt erholt hätten und in vielen Regionen (wieder) ansiedeln. Doch diese Gerüchte entbehren fachlicher Grundlage und die Erholung von Delphinbeständen ist – schon aus rein biologischen Gründen – innerhalb so kurzer Zeit nicht möglich. Aber Grund genug der Frage nachzugehen, wie die Situation der Delphine in der Nördlichen Adria ist.

Das Mittelmeer umfasst weniger als 1% der gesamten Ozeanfläche und gilt dennoch als besonders artenreicher Lebensraum und Heimat für 11 unterschiedliche Wal- und Delphinarten. Doch wie in vielen anderen Ökosystemen ist auch in der nördlichen Adria ein Rückgang der Artenvielfalt bemerkbar. Um mögliche Ursachen dafür zu finden, erforscht das Team von Morigenos, der slowenischen Gesellschaft für Meeressäugetiere, seit 2001 Delphine, genauer gesagt Große Tümmler, eine der mehr als 30 bekannten Delphinarten und die letzte in der Region heimische, vor den Küsten Sloweniens, Italiens und Kroatiens. Dabei geht es den ForscherInnen rund um Gründer Tilen Genov nicht nur um die Erforschung der Meerestiere, sondern auch um Aufklärung und Sensibilisierung der Öffentlichkeit, sowie die Entwicklung konkreter Schutzmaßnahmen zur Erhaltung aller Walarten. Um die Finanzierung der Forschungsarbeit, die Datenerhebung in den Sommermonaten und Bildungsinitiativen zu verknüpfen, bietet Morigenos Interessierten die Möglichkeit, hautnah an der Erforschung der Delphine im Mittelmehr dabei zu sein. Im Juli und August kann jeder – unabhängig von Ausbildung oder Vorwissen – an 10-tägigen Delphin-Forschungskursen der Organisation teilnehmen. Die einzigen Voraussetzungen: Man muss über 16 Jahre alt sein, Interesse an Umwelt- und Tierschutz mitbringen und sich aktiv am Schutz und der Erforschung der Großen Tümmler beteiligen wollen. Weitere Arten, wie zum Beispiel der Finnwal, Streifendelphin oder der Gewöhnliche Delphin, sind nur noch als temporäre Besucher in den Sommermonaten– während der aktiven Feldforschung des Morigenos Team und wenn, dann rein zufällig, zu sehen.

Große Tümmler sind in der nördlichen Adria keine Seltenheit, trotzdem leben sie in relativ kleinen, fragilen Gruppen, die – wie etwa jene vor Slowenien oder in den Gewässern Veneziens – meist nur etwa 150 Individuen umfassen. Natürlich gibt es keine Garantie, dass man während dem Kurs Delphinen begegnet, aber wenn es das Wetter erlaubt und man ein wachsames Auge hat, erkennt man die dunkelgrauen Rückenflossen, wenn sie die Wasseroberfläche durchdringen. Dann heißt es schnell sein. Kamera in Stellung bringen und versuchen, Fotos von der Rückenflosse der Tiere zu schießen. Denn diese ist markant und sozusagen der Fingerabdruck der einzelnen Tiere, sowie Ausgangspunkt der Erforschung des Soziallebens der Tiere. Darüber hinaus hält man sämtliche Informationen wie GPS-Koordinaten, Größe der Gruppe, die Atemfrequenzen oder das Verhalten der Tiere fest. KursteilnehmerInnen sollten sich bewusst sein, dass es während der Feldarbeit rein um die Beobachtung, Zählung und fotografische Dokumentation der Tiere geht und darum, dies in einer möglichst artgerechten und respektvollen Art und Weise umzusetzen. Aus diesem Grund kommt es zu keinem Zeitpunkt zu einem direkten Kontakt mit den Tieren. Dieser ist auch daher nicht erwünscht, da die direkte Berührung Risiken, wie die Übertragung von Krankheiten, in sich birgt.

Das slowenische Wissenschaftsteam wird unter anderem von der internationalen Meeresschutzorganisation OceanCare unterstützt, die seit 2011 als Sonderberaterin der Vereinten Nationen für Meeresschutz fungiert. OceanCare intensiviert seit einigen Jahren die Anstrengungen, Wale, Delphine und Mönchsrobben im Mittelmeer zu erhalten und ist im Jahr 2020 mit Morigenos eine Kooperation eingegangen. Ziel ist es, in der nördlichen Adria die Problematik von Überfischung und Unterwasserlärm zu adressieren und für effizientere Meeresschutzgebiete zu sorgen. Im Rahmen der Kooperation haben OceanCare und Morigenos beschlossen, zwei Studentinnen vor Ort an dem Kurs der Organisation teilnehmen zu lassen, um sich vor Ort ein Bild zu machen und Gleichgesinnte begeistern zu können. Im Fokus der Aktion standen sowohl der Meeresschutz als auch das Generieren von öffentlicher Aufmerksamkeit für die beiden NGOs und die von Morigenos angebotenen Delphinforschungskursen.

© Morigenos

Wer sich entscheidet, an dem Forschungsprogramm in Piran, einem traumhaften Ort an der slowenischen Küste, teilzunehmen, wird für 10 Tage Teil des Forscherteams und erlebt live die Arbeit der Wissenschaftler. Dabei bieten sich einem unzählige Möglichkeiten mehr über den Meeres- und Tierschutz zu erfahren und selbst an der wissenschaftlichen Arbeit mitzuwirken. Die Aufgaben umfassen das Beobachten sämtlicher Aktivitäten der Meeressäuger im Golf von Triest vom Boot und Land aus und thematische Vorträge der ForscherInnen. Hierbei erfährt wie man die Meeressäuger und ihren Lebensraum schützen kann und welche Bedrohungen es für den Großen Tümmler gibt.

© Morigenos

Während des Forschungskurses gibt es für die TeilnehmerInnen geregelte Aufgaben, trotzdem gleicht kein Tag dem anderen. Morigenos ist bei seiner Arbeit stark von Faktoren wie Wetter oder Tageszeit beeinflusst, bei schlechter Sicht oder Unwettern ist es dem Team nicht möglich nach Delphinen zu suchen. Auch wenn örtliche Fischer Sichtungen der Tiere melden, dann muss es schnell gehen – da muss man auch als TeilnehmerIn spontan sein! Neben der Forschung im Feld und der Hilfe bei der Identifikation einzelner Tiere und Gruppen bieten die Forschungskurse aber auch andere Freizeitaktivitäten, dazu zählen Ausflüge zu lokalen Sehenswürdigkeiten und Museen, Spieleabende und gemeinsames Kochen, sowie schwimmen in der Marina Pirans. Wer sich also dafür entscheidet, seinen nächsten Urlaub in Slowenien zu verbringen und Delphine zu erforschen, kann sich auf 10 Tage voll Abwechslung, schöner Momente und – mit etwas Glück – einzigartigen Delphinsichtungen freuen.

 

Weitere Informationen:

MORIGENOS

OCEANCARE

VLOG Folge #1: COVID und Delfine: Fakten und Mythen