Haben Sie schon einmal vom Goldschakal gehört? Diese Hundeverwandten sind etwas größer als Rotfüchse, aber deutlich kleiner als Wölfe, und sehr scheu. Sie schließen lebenslange Paarbeziehungen und sind, ähnlich wie der Fuchs, bezüglich Habitat- und Nahrungswahl sehr flexibel. Goldschakale breiten sich seit einiger Zeit auf natürliche Weise von Südosteuropa nach West- und Nordeuropa aus. Dabei wandern sie weite Strecken.

Nach EU-Recht ist der Goldschakal nicht streng geschützt, aber geschützt. Er kann bejagt werden, wenn ein günstiger Erhaltungszustand gegeben ist, wovon wir in Österreich noch weit entfernt sind. Dementsprechend ist der Goldschakal in vier Bundesländern (NÖ, S, V, W) geschützt oder ganzjährig geschont. In vier weiteren Bundesländern (B, K, OÖ, St) dürfen Goldschakale aber – EU-rechtswidrig – zwischen Oktober und März getötet werden. Und dann gibt es da noch Tirol: Hier darf in einem offenkundigen Ausrottungsversuch jeder Goldschakal das ganze Jahr über erschossen werden, selbst zur Zeit der Jungenaufzucht.

Wie kam es dazu? Vorhang auf für eine Tragödie in vier Akten.

Erster Akt: Durch Änderung des Tiroler Jagdgesetzes vom 24.3.2023 wird der Goldschakal als jagdbare Tierart gelistet. Er soll laut Landtag „denselben Regelungen unterworfen werden wie Bären, Wölfe und Luchse“, also ganzjährige Schonung mit der Möglichkeit, per Bescheid Ausnahmen von der Schonung zuzulassen. So weit, so rechtskonform.

Zweiter Akt: Die Tiroler Landesregierung pfeift auf den Beschluss des Landtags, überschreitet ihre Kompetenzen und verwandelt den Goldschakal durch eine Novelle der Zweiten Durchführungs­verordnung zum Tiroler Jagdgesetz im September 2023 von einer ganzjährig geschonten Art zu einer Art ohne jede Schonzeit.

Auftritt Shifting Values: Zwei Wochen nach Beschlussfassung dieser Verordnungsnovelle alarmiert Shifting Values die Landesvolksanwaltschaft Tirol, dass die Regelung über die ganzjährige Bejagung des Goldschakals glatt verfassungswidrig ist, da Verordnungen nicht dem Gesetz widersprechen dürfen, auf dessen Basis sie erlassen wurden. Die Landesvolksanwaltschaft konfrontiert die Landesregierung damit und Jagdlandesrat Geisler bestätigt ihr Ende Dezember 2023 die Rechtswidrigkeit dieser Regelung.

Gut, jetzt wird der rechtskonforme Zustand wiederhergestellt werden, denkt sich der gesetzestreue Bürger. Weit gefehlt!

Dritter Akt: Am 27.3.2024 wird die Zweite Durchführungsverordnung neuerlich novelliert und man höre und staune: Mit dieser Novelle wird die Verfassungswidrigkeit NICHT behoben, sondern inhaltlich unverändert belassen. Nach diesem rechtsstaatlichen Eklat darf man dann doch zumindest erwarten, dass die Landesvolksanwalt­schaft eine Normprüfung der Zweiten Durchführungsverordnung durch den VfGH anstrengt? Doch auch das passiert nicht.

Vierter Akt: Die Tiroler Landesregierung schickt einen Entwurf für eine Novelle zum Tiroler Jagdgesetz in Begutachtung. Das Ziel: Nicht die verfassungswidrige Verordnung soll gesetzeskonform werden, sondern umgekehrt das Gesetz an die Verordnung angepasst. Die Begutachtung endete am 17. Mai. Lesen Sie hier die Stellungnahme von Shifting Values.

Wie konnte es zu einem derartigen rechtsstaatlichen Fiasko kommen?

Aufschluss gibt der Leitartikel von Landesjägermeister Anton Larcher in der Zeitschrift „Jagd in Tirol“ des Tiroler Landesjagdverbands, Ausgabe Oktober 2023. Hier schwadroniert er von „Rückholung der Großraubtiere in UNSEREN Lebensraum“ (Großbuchstaben im Original). Von welcher „Rückholung“ er bei eigenständig wandernden Tierarten spricht, auf wen sich „unser“ bezieht (Jäger, Tiroler, Menschen) und warum andere Arten als der Mensch hier keinen Lebensraum haben sollten, bleibt offen. LJM Larcher weiter: „Wir als Landesjagdverband setzen derweil auf die Erhaltung der Biodiversität im Alpenraum – dazu muss der Kulturraum bewirtschaftet werden. Ohne aktives und kluges Management würde der Alpenraum aus den Fugen geraten. Dazu gehört auch die Möglichkeit, in Tirol den Goldschakal ganzjährig bejagen zu können. Wenn wir die Kontrolle über invasive Arten verlieren, ist unser Lebensraum in Gefahr und damit sind auch unsere Menschen in Gefahr.“ („unsere“ diesmal in Kleinschreibung)

Da die Zuwanderung des Goldschakals ja die Biodiversität erhöht, ist völlig unklar, wovon LJM Larcher hier faselt. Welche invasiven Arten? Der Goldschakal ist jedenfalls keine, das steht weiter hinten auch in derselben Ausgabe von „Jagd in Tirol“. Und warum würde „der Alpenraum aus den Fugen geraten“, wenn der Goldschakal nicht ganzjährig bejagt werden könnte?

Die Antwort scheint dieselbe zu sein wie bei vielen anderen Prädatoren: Sie werden von Jägern als Konkurrenz um IHR Wild angesehen. So brüsten sich die „Rehwildreferenten“ des LJV in der Ausgabe Jänner 2024 von „Jagd in Tirol“, dass sie einen „Beitrag dazu geleistet [haben], dass nunmehr die Bejagung des Goldschakals ganzjährig“ erlaubt ist.

Es kann noch so schlecht um die Verjüngung des Waldes bestellt sein – wenn eine carnivore Tierart droht, ein Reh zu erbeuten, muss sie ausgerottet werden. (Der Goldschakal ernährt sich allerdings überwiegend von kleinerer Beute. Die Tiroler Jäger erschossen im Jagdjahr 2022/23 13.379 Rehe.)

In einem Rechtsstaat sollte ein erkannter rechtswidriger Zustand möglichst kurz andauern. Stattdessen werden in Tirol seit bald neun Monaten Goldschakale ohne valide Rechtsgrundlage getötet. Warum können in Österreich Landesräte und Behörden das Recht brechen, ohne dass es dafür irgendwelche Konsequenzen gibt?

Bitte unterschreiben: Volksbegehren für ein Bundes-Jagdgesetz