Landwirtschaftskammer verdreht die Zahlen und patzt eigene Branche an, um gegen Tierwohl zu polemisieren.

In der heutigen Aussendung der Landwirtschaftskammer Niederösterreich sagt ihr Präsident Johannes Schmuckenschlager, der Schweinebranche in Österreich drohe „die gleiche Misere“ wie der Putenbranche, wenn die Tierwohlstandards erhöht werden. Doch eigentlich sollte Herr Schmuckenschlager das nicht fürchten, sondern wünschen, denn die Putenbranche hat sich deutlich besser entwickelt als die Schweinebranche, die sich jahrelang gesträubt hat, Verbesserungen in derTierhaltung einzuleiten. Und, wie heute allgemein bekannt, hat die Verbesserung der Haltungsbedingungen im Legehennenbereich das Erfolgsbeispiel schlechthin geliefert. Die Zahlen zeigen: Tierwohl ist keine Bedrohung, sondern eine Chance.

Was sagen die Zahlen?

In der Aussendung der LK NÖ lesen wir: Eine negative Entwicklung gebe es bereits bei der Pute. Hier habe sich die Lage in den letzten Jahren massiv zugespitzt. Die Kammer befürchte nun Gleiches beim Schwein.
Und das sagen dazu die Zahlen von Statistik Austria:

  • Die Putenproduktion in Österreich hat von 1995 bis 2022 um 27,7% zugenommen, jene der Schweine um 1,6% abgenommen.
  • Der Selbstversorgungsgrad mit Putenfleisch ist in diesem Zeitraum tatsächlich um 11,6% zurückgegangen, was aber daran liegt, dass der Verbrauch von Putenfleisch massiv (um 43,9%) gestiegen ist.
  • Der Selbstversorgungsgrad mit Putenfleisch lag 2022 bei 51%, also höher als vor Inkrafttreten des Tierschutzgesetzes (2004: 49%). Hätten wir noch ein Verbrauchsniveau wie 1995, würde der Selbstversorgungsgrad jetzt bei 74% liegen.
  • Die Hühnereier-Erzeugung hat in Österreich seit Inkrafttreten des Tierschutzgesetzes um 65,5% zugenommen.

Diese Zahlen zeigen klar: Wer den Schritt zu mehr Tierwohl wagt, gewinnt. „Das Verbot der Käfighaltung von Legehennen ist eine Erfolgsgeschichte für die österreichische Landwirtschaft. Und auch die zumindest in Bezug auf die Haltungsdichte ein wenig höheren Standards in der heimischen Putenhaltung haben dem Wachstum der Branche keinen Abbruch getan. Der eigentliche Problembereich ist vielmehr die Schweinehaltung, wo es – anders als von Herrn Schmuckenschlager in seiner Aussendung behauptet – kein „hohes Qualitätsniveau“ in Bezug auf das Tierwohl gibt, sondern leider ganz im Gegenteil“, betont Clemens Purtscher von der Kampagnenagentur Shifting Values.

Die Erfolgsfaktoren – von der ÖVP blockiert

Was lehren uns also die Erfahrungen der Geflügelbranche?

  • Ein sehr wichtiger Faktor ist eine Haltungskennzeichnung wie bei den Schaleneiern – diese wird beim Fleisch leider von der ÖVP blockiert, um nicht zugeben zu müssen, wie schlecht die Haltung im Schweine- und Rinderbereich ist (Stichwort Vollspaltenböden).
  • Besonders stark war die Entwicklung von österreichischen Eiern und Putenfleisch während der Pandemie, wo die Menschen nicht auswärts aßen, sondern ihre Kaufentscheidung selbst trafen. Die Gastronomie muss also in die Pflicht genommen werden – dies wird leider von der ÖVP blockiert.
  • Die Beschaffung durch die öffentliche Hand ist ganz essentiell, vor allem auch für die Planungssicherheit der Landwirte. Hier geht seit Jahren überhaupt nichts weiter – die ÖVP hätte es in der Hand, lässt die Landwirte aber im Regen stehen.

Wenn LK-Präsident Schmuckenschlager hier nur „Regionalität“ fordert, verkennt er, dass eine Ausschreibung nicht national diskriminierend sein darf. „Produkte mit höherer Tierwohlqualität zu beschaffen, wäre hingegen möglich. Wenn die heimische Landwirtschaft davon profitieren soll, muss man ihr den Weg zur Umstellung ebnen, so wie es bei den Legehennen mit dem Verbot der Käfighaltung geschehen ist“, so Purtscher abschließend.