Portorož, 17. Oktober 2022. – An der letzten Tagung im Jahr 2018 verabschiedete die Internationale Walfangkommission (IWC) die „Florianópolis-Erklärung“, eine Weichenstellung für das 21. Jahrhundert zur Beibehaltung des Walfang-Moratoriums und einer stärker am Walschutz orientierten Arbeit der Kommission.
Es wurde festgehalten, dass Wale heute einer Reihe von Bedrohungen ausgesetzt sind, die weit über die direkte Bejagung hinausgehen – wie Plastikverschmutzung, Beifang, Schiffskollisionen, Unterwasserlärm und darüber hinaus den Auswirkungen des Klimawandels.
Als direkte Folge dieser wegweisenden Erklärung verließ Japan, das viele Jahre lang erfolglos versucht hatte, das Walfang-Moratorium von 1986 aufzuheben, im Jahr 2019 aus Protest die IWC, die einzige international anerkannte Organisation zur Erhaltung von Walpopulationen. Japan ist diesmal an der aktuellen 68. Tagung der IWC in Slowenien offiziell nur als „Beobachter“ dabei, scheint aber weiterhin im Hintergrund an der Aufhebung des Moratoriums zu arbeiten und die Fäden zu ziehen:
Denn eine kleine Gruppe von Ländern, angeführt vom karibischen Inselstaat Antigua und Barbuda, will offenbar die Entscheidungen der IWC aus dem Jahr 2018 ignorieren und brachte Initiativanträge ein, die insbesondere der Deklaration von Florianópolis entgegenstehen. Obwohl Antigua und Barbuda selbst weder eine Walfangindustrie ist noch eine echte Walfangtradition hat, zeugen sie als langjährige Unterstützer von Japans Pro-Walfang-Haltung mit diesen Initiativen vom nach wie vor anhaltenden Einfluss Japans.
Die wichtigsten Initiativen und ihre Befürworter, um die Demontage der Erklärung von Florianópolis zu erreichen, sind:
- Antigua und Barbuda strebt Rahmenbedingungen für einen erneuten kommerziellen Walfang an, was die Aufhebung des Moratoriums zur Folge haben würde. Ein solcher Versuch hatte bereits vor mehr als einem Jahrzehnt stattgefunden und zu langjährigen Verhandlungen geführt. Millionen von Dollar später endete der Prozess in einer Pattsituation, hauptsächlich deswegen, weil die Walfangnationen jede Bestimmung ablehnten, die ein vollständig transparentes, internationales Aufsichts- und Compliance-Regime ermöglicht hätten. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass es jetzt anders wäre.
- Ernährungssicherheit: Antigua & Barbuda, Kambodscha, Gambia und Guinea schlagen vor, dass die IWC den Walfang als einen Beitrag zur Erreichung von mehr Ernährungssicherheit für einige der ärmeren Nationen der Welt in Betracht zieht. Tatsächlich könnte jedoch Walfang nichts Wesentliches zur Lösung der Ernährungskrise beitragen, aber die erneuten Jagdaktivitäten würden – wie die Geschichte zeigt – schnell zu einem Zusammenbruch der Walpopulationen führen.
Wie Fabienne McLellan, Geschäftsführerin von OceanCare, betont: „‚Nachhaltiger Walfang‘ ist ein Konzept, das es in der Realität nicht gibt. Um den Beitrag der Ozeane zur Ernährungssicherheit zu erhöhen, müssen die Überfischung gestoppt und intakte marine Ökosysteme erhalten und nicht Wale an der Spitze der Nahrungskette gejagt werden.“ - Einige Pro-Walfang-Nationen nutzen ganz offen die aktuelle Haushaltskrise der IWC als Druckmittel, um ihre Positionen durchzusetzen: Obwohl sie ihre eigenen Mitgliedsbeiträge nicht bezahlen – womit sie nach den geltenden Regeln ihr Stimmrecht verlieren – verknüpfen sie ihre Zustimmung zum Budgethaushalt der IWC mit der Forderung trotz Zahlungsrückstand stimmberechtigt zu sein. Es besteht die ernsthafte Gefahr, dass ein solcher Schritt die Mehrheiten zugunsten der Walfangnationen verschiebt und es diesen ermöglicht, die oben genannten Initiativen durchzudrücken.
Auf jeden Fall werden all diese Initiativen zu schwierigen und langwierigen Diskussionen führen, die auch von den nach wie vor andauernden kommerziellen Walfangaktivitäten in Norwegen und Island ablenken.
Diese Initiativanträge kommen zu einem Zeitpunkt, an dem die Wissenschaft bereits auf die schweren Folgen der Klimakrise für die Ozeane als Lebensräume der Wale hinweist: Viele Walpopulationen werden schon alleine deswegen dramatisch zurückgehen, weil die zunehmende Wassererwärmung zu veränderten Meeresströmungen und reduzierten Nahrungsangeboten führt.
OceanCare warnt eindringlich, dass jede weitere Verzögerung bei der Bekämpfung dieser großen Bedrohungen für Wale und ihrer Lebensräume nur zu einem Zusammenbruch der Meeresökosysteme als Grundlage für die globale Ernährungssicherheit führen wird.
„Anstatt wertvolle Zeit mit jahrzehntealten Debatten über fabrizierte Szenarien wie „nachhaltigen Walfang“ und falsche Lösungen zur „Ernährungssicherheit“ zu verlieren, sollte sich die IWC umgehend mit den wirklich drängenden Themen befassen: Klimawandel und Plastikverschmutzung“, sagt Nicolas Entrup, Direktor für Internationale Beziehungen von OceanCare. „Der Wissenschafts- und der Erhaltungsausschuss der IWC haben bereits großartige Arbeit geleistet, diese Probleme beschrieben und den Weg aufgezeigt, wie sie angegangen werden können. Es ist dieser Geist der Deklaration von Florianópolis, der den Weg nach vorne für eine moderne, naturschutzorientierte IWC darstellt. Daran gilt es festzuhalten“