Agromars, ein ukrainischer Geflügelkonzern, schließt sein Unternehmen. OK, na und? Warum sollte uns das interessieren? Weil es dazu eine interessante Vorgeschichte gibt, die uns viel über das Wirken von „Entwicklungsbanken“ verrät.
Vor etwa 20 Jahren war Agromars einer von mehreren Geflügelkonzernen in der Ukraine. Dann, im Jahr 2003, begann die Internationale Finanzkorporation (IFC), ein Arm der Weltbankgruppe, massiv Finanzmittel in einen Marktkonkurrenten zu schütten, nämlich die MHP-Gruppe des Oligarchen Yuri Kosyuk. Bis 2017 erhielt MHP mehr als 500 Mio. US-Dollar an Investitionskapital von der IFC, der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) und der Europäischen Investitionsbank (EIB).
Dies blieb nicht folgenlos: Im Jahr 2008 hatte MHP bereits einen Markanteil an der ukrainischen Hühnerfleischproduktion von 36% erreicht. 2010 war MHP etwa doppelt so groß wie Agromars, die Nummer 2 im Geflügelmarkt, und 2013 betrug der Marktanteil von MHP schon 52% und jener von Agromars nur noch 15%. Die Marktmacht von MHP stieg weiter auf 61% im Jahr 2015, 64% 2017 (Agromars 11%) und schließlich mehr als 70% Marktanteil im Jahr 2020.
Auch Agromars war ein großer industrieller Geflügelkonzern, mit 35.000 Hektar Land, 12 Zuchtanlagen mit 1,1 Mio. Elterntieren, einer Brüterei für 92 Mio. Küken und mehr als 17 Mio. Masthühnerplätzen in 43 Anlagen.
Auf der anderen Seite aber konnte MHP mit der gewaltigen Unterstützung durch internationale Entwicklungsbanken den größten Geflügelmastkomplex Europas errichten, mit einer Jahreskapazität von 220 Mio. Hühnern. Und das ist nur das größte von mehreren Expansionsprojekten. Tatsächlich erlangte MHP monopolartige Marktmacht und eine kontrollierende Stellung in der ukrainischen Geflügelproduktion.
Wer sind nun diese internationalen Finanzinstitutionen (IFIs), die auf eine solche Weise eingreifen, dass ein einzelnes Unternehmen Monopolmacht über einen großen Markt erlangen kann? Zunächst ist es bemerkenswert, dass diese IFIs mit öffentlichen Mitteln, also Steuergeld ihrer Anteilseigner-Staaten, darunter Deutschland und Österreich, operieren. Sie wurden ursprünglich gegründet, um Entwicklungs- und Schwellenländer, darunter die Nachfolgestaaten der Sowjetunion, auf ihrem Weg zur Marktwirtschaft zu unterstützen. Von ihrem anfänglichen Ziel sind aber offenbar schon lange abgekommen, womit sie ihrem eigenen Weiterbestand die Legitimation entziehen.
Leider scheinen die Banken unwillig, sich mit ihrem Fehlverhalten auseinanderzusetzen. Shifting Values reichte über das offizielle Beschwerdeverfahren der EBRD eine Beschwerde ein, aber die Bank hat es vorgezogen, sie mit fadenscheinigen Argumenten abzuweisen.
Als wäre das alles noch nicht schlimm genug, ist MHP ein Unternehmen, dass sich durch massive Steuervermeidung, Umgehung der EU-Importquoten mit einem „Knochentrick“, Proteste der lokalen Bevölkerung etc. einen zweifelhaften Ruf erwarb.
Fazit: Internationale Finanzinstitutionen haben mit öffentlichen Geldern den Markt beeinflusst, bis eine Monopolsituation entstanden war, und dabei das Leid von hunderten Millionen Hühnern pro Jahr mitverursacht. Man möchte sich fragen, wann die Entscheidungsträger endlich aktiv werden und eine Überprüfung der Praktiken dieser Banken durchführen lassen!