Manchmal ist es ja nicht so schwer, z.B.: Welche Zahl ist größer – 85.000 oder 35 Millionen? Wenn eine große Entwicklungsbank dies nicht beantworten kann, rückt Shifting Values zur Klärung aus.

Seit 2012 befasst sich Shifting Values mit den Kapitalvergaben internationaler Finanzinstitutionen (IFIs) für die Errichtung riesiger Intensivtierhaltungsbetriebe in Schwellenländern. Eine dieser Institutionen ist die EBRD, eine Entwicklungsbank mit Sitz in London, an der knapp 70 Staaten beteiligt sind, darunter sämtliche EU-Mitgliedstaaten.

Bei ihren Kapitalvergaben hat sich die EBRD u.a. nach ihrer „Environmental and Social Policy“ zu richten. Wenn ein Projekt möglicherweise erhebliche Umweltgefährdungen verursacht, wird es als „Kategorie A“ eingestuft und muss einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden. Als Orientierung für die Einstufung in Kategorie A gibt es Beispiel-Schwellenwerte, etwa Anlagen mit mehr als 85.000 Masthühnern, 60.000 Legehennen, 3.000 Mastschweinen oder 900 Sauen.

So weit, so klar. Unklar wird es dann bei einem Blick auf die Projekte, die von der EBRD mit den ihr überantworteten öffentlichen Geldern (mit)finanziert wurden. Da finden sich etwa in der Ukraine der größte Masthühner-Komplex Europas (35 Millionen Hühner, >250 Millionen Euro von der EBRD) und Mastanlagen für mehr als 100.000 Schweine, oder in Georgien Anlagen mit einer Jahreskapazität von ca. 14 Millionen Masthühnern (so genau weiß man es nicht, denn die EBRD zeichnet sich auch durch ein hohes Maß an Intransparenz aus). Keines dieser Projekte wurde in Kategorie A eingestuft.

Man reibt sich die Augen und fragt: Wie kann das sein? Das wollen wir auch wissen und haben daher bei der EBRD eine offizielle Beschwerde bzw. einen Antrag auf Prüfung mutmaßlicher Verstöße gegen ihre eigene Policy eingebracht.

Jeder macht einmal Fehler. Auch wir von Shifting Values haben einen Fehler gemacht: Im Jahr 2014, als die EBRD als erste internationale Finanzinstitution eine Tierschutzbestimmung in ihre Policy aufnahm, wonach zumindest die EU-Standards nicht unterschritten werden dürfen, lobten wir sie als Vorreiterin. Heute müssen wir uns fragen: War das mehr als Augenauswischerei? Die oben erwähnte Schweinemastfirma hält die (ohnehin entsetzlich schwachen) EU-Mindeststandards nur in zwei ihrer zehn Anlagen ein. Und in einem Milch-Projekt in der Türkei werden die Kälber drei Monate lang in Einzelhaltung gesperrt. Auch diese Verstöße gegen die EBRD-Policy sind Bestandteil unserer Beschwerde.

Wir sind gespannt auf die Antwort und werden wieder berichten.

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