Wundersames trägt sich zu im Land der Berge und am Strome. Da einigen sich die Regierungsparteien in einer Nationalratsentschließung u.a. darauf, wirksame Maßnahmen gegen die grausame Qualzucht bei Hund, Katz & Co gesetzlich zu verankern, doch eineinhalb Jahre später steckt deren Umsetzung immer noch fest.

Was ist geschehen? Wir beleuchten hier ein paar Hintergründe, sodass dieser Beitrag die übliche Bloglänge überschreitet. Aber bleiben Sie dran, es lohnt sich.

Die Vorgeschichte

Eigentlich ist es in Österreich seit 2005 verboten, Tiere so zu züchten, dass sie dadurch Leiden (etwa ständige Hautentzündungen oder schwere Nervenleiden), Schäden (wie fehlende Körperteile oder Organe) oder schwere Angst (z.B. Erstickungsangst durch Atemnot) erleiden. Warum nur „eigentlich“? Weil einerseits die Vollzugsorgane sich nicht trauen, diese Regelung auch zu vollziehen, und weil andererseits ins Tierschutzgesetz eine Klausel eingebaut wurde, die das Qualzuchtverbot wieder aushebelt – der ominöse § 44 Abs. 17 TSchG. Er wurde eingerichtet, um den Züchter*innen die Möglichkeit zu geben, die Qualzuchtmerkmale aus den bestehenden Populationen „rauszuzüchten“. Die Leiden der „Übergangsgenerationen“, in denen den Tieren weiterhin ein Leben mit zuchtbedingten Schäden und Krankheiten aufgebürdet wurde, nahm man in Kauf. Diese Übergangsregelung sollte 2018 auslaufen. Da die Züchter*innen die Zeit allerdings nicht zielgemäß genutzt hatten, erreichten sie 2017, dass die Auslauffrist nicht wirksam, sondern ersatzlos gestrichen wurde. So ist im selben Gesetz Qualzucht verboten und gleichzeitig erlaubt – ungeheuerlich, aber im Tierschutz in Österreich möglich.

Die Lösung kommt in Sicht

Am 15. Dezember 2021 beschlossen die Regierungsparteien (und zwei Oppositionsparteien) nach langen Verhandlungen, mit welchen Maßnahmen das Tierschutz-Volksbegehren, das von mehr als 416.000 Bürger*innen unterzeichnet worden war, umgesetzt werden soll. Darunter befanden sich folgende Maßnahmen zur Lösung des Qualzuchtproblems:

  • Streichung des § 44 Abs. 17
  • Festlegung von klaren Definitionen zur Diagnose von Qualzuchtmerkmalen
  • Zuchtverbot für bestimmte, besonders stark mit Qualzuchtmerkmalen belastete Rassen
  • wissenschaftlich basierte Freigabe zur Zucht für Tiere aus Rassen, die in unterschiedlicher Intensität mit Qualzuchtmerkmalen belastet sind, um Qualzucht zu unterbinden

So weit, so gut. Wer als demokratiegläubiger Bürger nun glaubte, eine mit Dreiviertelmehrheit im Nationalrat angenommene Entschließung würde wohl in die Tat umgesetzt werden, reibt sich knapp eineinhalb Jahre später die Augen. Warum wurde noch immer keine dieser Maßnahmen umgesetzt? Wer sind diejenigen, die an der Qualzucht, einer besonders perfiden Form der Tierquälerei, festhalten wollen?

Das Fake-News-Gewitter

Das grün geführte Sozialministerium erarbeitete einen ausführlichen Entwurf zur Novellierung des Tierschutzgesetzes, in dem sich die genannten Punkte des Entschließungsantrages sowie verschiedene Empfehlungen des Tierschutzrates (eines im Tierschutzgesetz verankerten beratenden Gremiums) wiederfinden – so wie man es demokratiepolitisch erwarten kann. Der zur Stellungnahme eingeladene Österreichische Kynologenverband (ÖKV, ein Dachverband von Hobby-Hundezuchtvereinen) hatte allerdings nicht besseres zu tun, als den – noch vertraulichen – Entwurf öffentlich zu diskreditieren. Und wie macht man das am besten? Mit der vielfach bewährte Fake-News-Keule.

Der ÖKV und insbesondere sein Rechtsanwalt (!) schreckten nicht davor zurück, eine ganze Reihe von Halb- und Unwahrheiten über den Gesetzesentwurf zu verbreiten, um – mit Erfolg – Unruhe und Angst unter den Tierzüchtern zu erzeugen. Es lohnt sich daher – besonders auch für all die vielen Züchter*innen, die keine Qualzucht betreiben – die Aussagen des ÖKV und seines Anwalts einem Realitätscheck zu unterziehen.

Und da der „vertrauliche“ Gesetzesentwurf inzwischen auf Facebook kursiert, erlauben wir uns, ihn von dort zu kopieren und auch hier zu veröffentlichen.

Advocatus diaboli? Mythen vs. Fakten

„Die Novelle bewirkt ein De-facto-Verbot der Heimtierzucht. Warum? Weil in dieser Novelle geplant ist, dass der § 44 Abs. 17 des Tierschutzgesetzes wegfallen soll.“

Wer sich wundert, dass sich gerade ein Rechtsanwalt mit einer solchen Aussage öffentlich entblößt, muss wissen, dass seine Frau eine der am stärksten von Qualzucht betroffenen Moderassen züchtet, die Französische Bulldogge. So ist dies ein durchschaubares Manöver, die große Mehrzahl der Züchter*innen, für die sich durch die Novelle wenig bis nichts ändert, scheu zu machen und hinter der kleinen, aber lauten Gruppen von Qualzüchtern zu versammeln. Dies manifestiert sich auch in einigen weiteren Aussagen:

„Es gibt also, tritt diese Novelle tatsächlich in Kraft, keine Möglichkeit mehr, in einem rechtlich gesicherten Rahmen Heimtiere zu züchten.“

Das genaue Gegenteil ist der Fall. Durch die geplante Zuchtzulassung bei qualzuchtgefährdeten Rassen erhalten die Züchter*innen Rechtssicherheit, ob ihre geplante Zucht mit dem Tierschutzgesetz in Einklang steht oder nicht. Und alle Züchter*innen von Rassen oder Zuchtlinien, bei denen Qualzuchtmerkmale keine Rolle spielen, sind ohnehin überhaupt nicht betroffen.

„Das bedeutet dann, dass jede nicht gesunde Nachzucht automatisch die Strafbarkeit des Heimtierzüchters / der Heimtierzüchterin bewirkt“, auch wenn der Züchter „zwei gesunde Elterntiere“ verpaart.

Im Entwurf steht hingegen: „Ebenso ist die Abgabe von Tieren, deren Zucht im Einklang mit den bestehenden Tierschutzbestimmungen erfolgte, zulässig.“ Also genau für den Fall, dass bei Verpaarung von Elterntieren ohne Qualzuchtmerkmale trotzdem nicht gesunde Welpen auf die Welt kommen, ist im Entwurf vorgesorgt. Da der Urheber dieser Aussagen Rechtsanwalt ist und sich mit Rechtstexten auskennen sollte, darf man die Frage stellen, ob seine Falschdarstellungen absichtlich erfolgten.

„Mit dieser Novelle … werden vor allem jene Züchterinnen und Züchter getroffen, die immer ordentliche Züchterinnen und Züchter waren“

Völliger Unsinn, der Entwurf richtet sich gegen die Qualzucht, wie jeder erkennen kann, der des Lesens von Rechtstexten mächtig ist.

Nun ist es natürlich legal, Fake News in die Welt zu setzen – auch wenn das einem Anwalt besonders schlecht zu Gesicht steht. Problematisch wird es erst dann, wenn maßgebliche politische Kräfte – im konkreten Fall die ÖVP – diesem plumpen Manöver aufsitzen. Dass dies in diesem Fall offenbar geschehen ist, stellt dieser Partei und ihrem Sachverstand kein gutes Zeugnis aus.

Österreichischer Kwalzucht-Verband?

Wenden wir uns nun den Aussagen des ÖKV in seiner Pressemitteilung zum Thema zu:

Das „rassistisch diskriminierende Ampelsystem bei Qualzuchtmerkmalen“ habe „in den Niederlanden … die Hundevielfalt für Halter:innen und die seriöse Zucht enorm verringert“ und zu „Inzuchtdepressionen und Tierleid“ geführt.

Wenn die Aussage mit der Inzuchtdepression stimmt, sagt der ÖKV damit: Es gibt von manchen Rassen zu wenige Hunde, die die Gesundheitskriterien erfüllen. Wenn man rasseintern nicht mit qualzuchtbetroffenen Tieren weiterzüchte, müsse man Inzucht betreiben, so gering sei die Zahl der qualzuchtfreien Hunde in Rassen wie Mops oder Französische Bulldogge. Seltsame Aussage für einen Hundezuchtverband.

Überdies begibt sich der ÖKV auf sehr dünnes Eis, wenn er Inzucht (zurecht) als etwas Schlechtes anführt, denn auch im ÖKV-Hundezuchtbuch kann man von Verpaarungen von (Mops-)Geschwistern lesen. Und der Inzuchtkoeffizient ist bei vielen Hunderassen absolut jenseitig. Tipp an den ÖKV: Über dieses Thema lieber nicht allzu viel reden, denn bisher (auch im Novellenentwurf) ist Inzucht kein Qualzuchtkriterium – und der ÖKV wird wollen, dass dies so bleibt.

„Hinzu kommt, dass das Zucht- und Haltungsverbot vor allem Gesellschaftshunde betrifft, die einen Beitrag zur psychosozialen Gesundheit vieler, insbesondere älterer Menschen leisten.“

Von einem „Haltungsverbot“ war natürlich überhaupt nie die Rede, auch nicht im Gesetzesentwurf. Alle Tiere, die derzeit in Österreich gehalten werden, dürfen natürlich bei ihren Halter*innen bleiben, auch die Qualzuchtopfer. Klarerweise werden es – und das ist ja der Sinn der Sache – sukzessive immer weniger qualzuchtbetroffene Tiere werden, wenn sie nicht mehr gezüchtet und nicht mehr importiert werden dürfen. Der Import ist übrigens bereits verboten.

Außerdem ist es mit Sicherheit für die psychosoziale Gesundheit aller Menschen (nicht nur der älteren) besser, wenn sie einen gesunden Hund haben, als einen, der unter Qualzuchtfolgen leidet.

„Ein Tierschutzgesetz muss Tiere schützen, nicht verbieten. Die Forderungen würden bei Umsetzung zur Konsequenz haben, dass der Import von unkontrollierten Kofferraumhunden nach Österreich massiv ansteigen würde, Hundehalter:innen kriminalisiert werden und die heimische Hundezucht daran gehindert wird, mit gesunden Hunden gesunde Nachkommen zu züchten“, so ÖKV-Präsident Michael Kreiner.

Erstaunlich viel – mit Verlaub – Unsinn in einem einzigen Absatz:

„Import von unkontrollierten Kofferraumhunden nach Österreich massiv ansteigen“: Keineswegs, der Import von qualzuchtbetroffenen Tieren ist verboten (§ 8 Abs. 2 TSchG).

„Hundehalter:innen kriminalisiert“: Das Halten bereits existierender qualzucht­betroffener Hunde bleibt von den geplanten Regelungen selbstverständlich unberührt. Qualzuchtbetroffene Hunde zu kaufen ist bereits jetzt verboten (§ 8 Abs. 2 TSchG).

„heimische Hundezucht daran gehindert wird, mit gesunden Hunden gesunde Nachkommen zu züchten“: Ein Verbot der Qualzucht würde also laut ÖKV dazu führen, dass nicht mehr mit gesunden Hunden gezüchtet werden darf? Da hat der ÖKV etwas grundlegend falsch verstanden – es geht um „keine Qualzucht mehr“ (also Zucht nur mit gesunden Hunden), nicht um „nur noch Qualzucht“.

„Natürlich kann es trotz größter Sorgsamkeit zu Nachkommen kommen, die einzelne Merkmale aufweisen, die die Gesundheit beeinträchtigen. Man kann die Natur eben nicht ausschalten. Dem trägt der § 44 Abs. 17 des TSchG Rechnung“, betont Dr. Michael Kreiner.

Nein, der § 44 Abs. 17 sagt, dass weiterhin qualzuchtbelastete Elterntiere für die Zucht eingesetzt werden dürfen, so dass von vornherein klar ist, dass auch die Nachkommen unter Qualzuchtfolgen zu leiden haben (s.o.).

„Das hohe Niveau belegen auch die internationalen Hundeausstellungen in Österreich, bei denen 99,7 Prozent der Hunde von den Amtstierärzten für gesund befunden wurden.“

Angenommen, die 99,7% würden stimmen – will der ÖKV damit sagen, er bekämpft die Tierschutzgesetz-Novelle, damit die 0,3% Qualzüchter weitermachen können? Dass die Zahl aber nicht so ganz stimmen kann, zeigte die Geschichte der internationalen Hundeausstellung in Tulln 2022. Nachdem ruchbar wurde, dass das Verbot, qualzuchtbetroffene Tiere auszustellen, diesmal tatsächlich kontrolliert werden sollte, zogen zahlreiche Aussteller*innen fluchtartig ihre Nennung zurück.

Angesichts dieser öffentlichen Aussagen des ÖKV stellt sich die Frage, wen er eigentlich zu vertreten glaubt und wo der Aufschrei all jener Züchter*innen bleibt, die mit Qualzucht nicht in einen Topf geworfen werden wollen.

Darf nicht fehlen: die Nazi-Keule

Tierschützer*innen, die sich gegen die Qualzucht einsetzen, seien „Rassisten“, ist ein oft gehörter Vorwurf. Drollig, wenn es nicht um ein ernstes Thema ginge; vollends absurd, wenn er von Leuten kommt, denen die „Rassereinheit“ über alles geht. Einladung zum Selbstversuch: Sagen Sie einmal einem ÖKV-Züchter, dass man doch auch Paarungen von Hunden verschiedener Rassen („Mischehen“) zulassen könnte. Aber ziehen Sie sich vorher eine Rüstung an.

Aber ist nicht in der Nationalratsentschließung und dadurch auch im Gesetzesentwurf vorgesehen, dass bestimmte, besonders stark mit Qualzuchtmerkmalen belastete Rassen nicht mehr gezüchtet werden dürfen? Doch, aber das ist nur eine Vereinfachung für den Vollzug. So würde etwa keine einzige Scottish-Fold-Katze eine Zuchtzulassung erhalten, denn diese Rasse gibt es nicht ohne das schlimme Qualzuchtmerkmal der Osteochondrodysplasie. Da ist es logisch, die gesamte Rasse mit einem Zuchtverbot zu belegen, statt jedes Tier dieser Rasse einzeln.

Auch bei anderen Rassen ist ein Qualzuchtmerkmal rassendefinierend, z.B. Munchkin-Katze, Blasenaugen-Goldfisch oder Carrier-Taube.

Tierschutzgesetz sticht Zuchtverein-Standards

Dann gibt es Fälle, bei denen die Rassestandards des internationalen Kynologieverbandes FCI, dem auch der ÖKV angehört, Qualzuchtmerkmale vorschreibt:

  • So soll der Fila Brasileiro „auf Grund der Fülle loser Haut“ herabhängende Augenlider haben, das heißt die Bindehaut liegt frei, was erhöhte Verletzungsgefahr und häufige Entzündungen zu Folge hat. Der Standard begründet dies damit, dass „dieses Detail den für diese Rasse typischen melancholischen Ausdruck unterstreicht“. Klar – wenn wir ständig entzündete Augen haben, schauen wir auch traurig drein. Ein „Mangel an loser Haut“ gilt dagegen als disqualifizierender Fehler!
  • Beim mexikanischen Xoloitzcuintle gibt es eine normal behaarte Form und eine haarlose Form. Da das Fell ein wichtiges Organ jedes Hundes ist, sind haarlose Formen als Qualzucht anzusehen. Der FCI-Standard beschreibt dies so: Die Haut ist „sehr berührungsempfindlich und fühlt sich wärmer an, da die Wärme aufgrund des fehlenden Haarkleids direkt ausströmt. … Im Gegensatz zu den behaarten Rassen … erfordert die Haut eine besondere Pflege, da sie keinen natürlichen Schutz vor Sonneneinstrahlung und ungünstigen Witterungsbedingungen bietet.“ Dennoch verbietet es der Standard, zwei behaarte Xoloitzcuintle zu verpaaren. Zwei haarlose dürfen laut Standard hingegen verpaart werden, obwohl dabei (durch den Gendefekt, der auch die Haarlosigkeit verursacht) jeder vierte Embryo im Mutterleib stirbt.

Diese Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Dort, wo die Standards eines privaten Hobbyistenvereins dem im Verfassungsrang stehenden öffentlichen Interesse des Tierschutzes zuwiderlaufen, muss klarerweise der Tierschutz stärker gewichtet werden. Die Standards müssen sich dem Tierschutzrecht anpassen, nicht umgekehrt.

Fazit

Dass die Qualzucht in Österreich noch immer nicht unterbunden wird, ist nichts weiter als eine Schande. Es gibt kein vernünftiges Argument für die Qualzucht. Auch vonseiten der Zuchtverbände wurden bisher kaum diskussionswürdige Argumente vorgebracht, dafür viel Fake News.

Aus demokratiepolitischer Sicht ist es inakzeptabel, wenn mit Dreiviertelmehrheit im Nationalrat beschlossene Maßnahmen gegen die Qualzucht einfach nicht umgesetzt werden.

Jede weitere Verzögerung bedeutet weiteres, leicht vermeidbares Tierleid. Die Politik, und hier insbesondere die ÖVP, ist aufgerufen, zu ihrem Wort zu stehen und eine Umsetzung der Maßnahmen gegen die Qualzucht ins Tierschutzgesetz nicht zu blockieren.