Wir sind ständig umgeben von Geräuschen. Diesen können wir im Alltag kaum noch entfliehen. Oftmals sind unsere eigenen vier Wände der einzige Zufluchtsort vor der Flut an Tönen. Auch unsere Ozeane sind der Gefahr der steigenden Lärmverschmutzung ausgesetzt. Meerestiere sind nicht in der Lage, dem Unterwasserlärm zu entkommen. Am 27. April ist der diesjährige internationale Noise Awareness Day. Die Meeresschutzorganisation OceanCare macht an diesem Tag besonders auf die Auswirkungen des Unterwasserlärms auf Meerestiere aufmerksam.

 

Die Weltmeere sind von Natur aus eine akustische Welt. Schall dient Meerestieren wie z.B. Walen und Delfinen zur Orientierung, Kommunikation und Jagd. Ohne natürliche Töne wäre das Überleben vieler Meeresbewohner in dem Lebensraum, der ab einer bestimmten Tiefe ausschließlich finster ist, kaum möglich. Doch diese Welt der Geräusche verändert sich. Durch menschenverursachten Lärm und Aktivitäten wie die kommerzielle Schifffahrt, Gas- und Ölexploration, Tiefseebergbau und militärische Aktivitäten steigt der Lärmpegel in den Ozeanen. Seit den 1960ern hat sich der vom Menschen verursachte Lärm in einigen Regionen jedes Jahrzehnt verdoppelt. In Gewässern der EU zwischen 2014 und 2019 sogar im Zeitraum von fünf Jahren, so der offizielle EMSA-Report von 2021. Weltweit sind „rund 150 Meerestierarten nachweislich durch Lärm beeinträchtigt – im Grunde alle, die in entsprechenden Studien untersucht wurden,“ äußert sich Lindy Weilgart, Meeresbiologin an der Dalhousie University, Kanada und Akustik-Expertin bei OceanCare dazu.

Die Vielzahl an Geräuschen kann Stress bei Meerestieren erhöhen, zu Hörschäden, Verletzungen oder sogar zum Tod führen. „Meerestiere können dem Ozean nicht entfliehen. Sie sind unvorstellbarer Dauerbeschallung ausgesetzt. Lärm ist eine unsichtbare Gefahr, die töten kann,“ so Nicolas Entrup, Leiter Internationale Zusammenarbeit OceanCare. „Diese Bedrohung könnte man jedoch leicht reduzieren oder ganz entfernen”. Die konstante Beschallung mit nicht natürlichen Geräuschen kann bei Meerestieren auch zu Lebensraumverlust, Schwächung des Immunsystems und verminderter Reproduktion führen. Lärm breitet sich Unterwasser mit der fünffachen Geschwindigkeit des Schalls gegenüber an der Luft aus. Niedrige Frequenzen können unter bestimmten Bedingungen über Tausende von Kilometern im Ozean gehört werden. Deshalb wird Unterwasserlärm als besorgniserregende Meeresverschmutzung eingestuft.

Um Meere leiser zu machen, gibt es einige relativ einfach umzusetzen anmutende Maßnahmen. Wir können den Lärm in den Ozeanen reduzieren und das Leben der Tiere nachhaltig verbessern. Eine Reduktion des Tempolimits im globalen Schiffsverkehr um ein Zehntel, könnte die Lärmemissionen im Meer um 40% verringern. Auch die Schallkanonen, die für die Öl- und Gassuche eingesetzt werden, beschallen den Meeresboden mit bis zu 260 Dezibel. Mit der Beendigung der Öl- und Gasexploration im Einklang mit den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens kann der Geräuschpegel im Meer drastisch reduziert werden. Auch ein Moratorium für Tiefseebergbauaktivitäten kann eine Zunahme der Lärmemissionen in diesem wichtigen Lebensraum unterbinden. Weiters stellen militärische Aktivitäten eine immense Gefahr für Meerestiere dar. Detonationen, Sprengungen und der Einsatz aktiver Sonarsysteme bei der Suche nach U-Booten tragen zur andauernden Beschallung von Meereslebewesen bei. Ein signifikanter Fortschritt könnte hierbei erzielt werden, wenn Militärs von Meeresschutzbestimmungen nicht ausgenommen wären.

Gemeinsam können wir die Ozeane wieder zu einem Ort der natürlichen Geräusche machen. Dadurch kann der Lebensraum der Meerestiere geschützt und ihr Überleben gesichert werden. Die Reduktion menschenverursachter Geräusche kann dazu beitragen die einzigartige Vielfalt der Meere zu erhalten.