Nicolas Entrup repräsentierte OceanCare bei der dreijährlichen Konferenz des Mittelmeer-Walschutzabkommens und zieht in der abschließenden Pressemitteilung Bilanz über Licht und Schatten für den Walschutz im Mittelmeer.
Istanbul, 8. November 2019: Heute wird die 7. Vertragsstaatenkonferenz (MoP) des Abkommens über den Schutz von Walen und Delfinen im Mittelmeer und im Schwarzen Meer (ACCOBAMS) abgeschlossen. Gastgeber war die Türkei, die im Jahr 2018 das 24. und jüngste Mitglied des Abkommens geworden war. Zu den wichtigsten Themen und Entscheidungen der Konferenz zählen die Auswirkungen von Kollisionen auf die Populationen von Großwalen, der Unterwasserlärm durch Ölindustrie, Schifffahrt und Militär, sowie der Beifang von Walen und Delfinen in der Fischerei.
Tatsächlich sind Kollisionen mit großen Schiffen, insbesondere Frachtschiffen, eine der Hauptgefahren für die beiden Großwalarten im Gebiet des Abkommens: Finnwal und Pottwal. Zwischen den Arealstaaten besteht Einvernehmen über die Notwendigkeit gezielter Maßnahmen an Orten bzw. zu Zeiten verstärkter Präsenz von Walen. Dies gilt umso mehr für besonders wichtige Lebensräume wie Meeresschutzgebiete oder Important Marine Mammal Areas (IMMA). Solche konkrete Maßnahmen sind z.B. die Verlegung von Schifffahrtsrouten oder die Verringerung der Fahrtgeschwindigkeit auf 10 bis 12 Knoten in wichtigen Meeressäugergebieten.
„Die Fahrtgeschwindigkeit der Schiffe zu reduzieren ist eine Win-Win-Win-Maßnahme: Sie vermindert die Gefahr von Kollisionen mit Walen, die Treibhausgasemissionen und die Lärmbelastung“, betont Nicolas Entrup, Ko-Leiter Internationale Beziehungen bei OceanCare und Teilnehmer der Konferenz in Istanbul.
„Wenn man mit Frachtern durch das Wohnzimmer der Wale fährt, sind Zusammenstöße vorprogrammiert“, sagt der OceanCare-Sprecher, der besonders auf die hohe Gefahr für Pottwale hinweist, im Gebiet des Hellenischen Grabens vor Griechenland von einem Schiff gerammt zu werden. Der Hellenische Graben ist ein wichtiger Lebensraum für die Pottwale, die vermutlich am stärksten gefährdete Großwalpopulation im zentralen und östlichen Teil des Mittelmeers, die nur noch etwa 200 Mitglieder zählt, Tendenz weiter sinkend.
Dieses Gebiet ist außerdem starkem Lärm ausgesetzt, mit dem die Ölindustrie nach neuen Lagerstätten im Meeresboden sucht. Die Auswirkungen von Lärmverschmutzung waren auch Gegenstand einer Entschließung der Vertragsparteien, in der sie die Arealstaaten auffordern, vor lärmerzeugenden Aktivitäten Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVPs) durchzuführen und dabei die spezifischen UVP-Richtlinien anzuwenden, die 2017 von den Mitgliedstaaten der Bonner Konvention verabschiedet wurden.
OceanCare begrüßt die Entscheidungen der ACCOBAMS-Parteien, bleibt aber besorgt über die Situation der Wal- und Delfinarten im Gebiet des Abkommens. Das Abkommen kann nur so gut sein wie seine Umsetzung. Im Bemühen, die Umsetzung der von den Vertragsparteien beschlossenen Maßnahmen zu verbessern, richtete ACCOBAMS 2013 einen Follow-up-Mechanismus ein. Dieses Komitee dient als Basis für die Förderung und Verbesserung der Umsetzung der Beschlüsse der Vertragsstaatenkonferenzen. In den letzten vier Jahren hat OceanCare beim „Follow-Up Committee“ fünf Beschwerden eingereicht, weil Arealstaaten ihre Verpflichtungen nicht erfüllen und beschlossene Artenschutzmaßnahmen nicht umsetzen. Diese Fälle betreffen intensiven Lärm, wie seismische Untersuchungen und militärische Aktivitäten, aber auch z.B. die mangelnde Umsetzung des Schutzkonzeptes für den Gewöhnlichen Delfin im Mittelmeer. Die letztere und eine weitere Beschwerde stehen noch zur Behandlung an.
Vor diesem Hintergrund „kann man vorsichtig optimistisch sein. In den letzten drei Jahren zeigte sich, dass ACCOBAMS zwar Schritte zu einer verbesserten Umsetzung unternimmt, aber dass dieser Prozess noch in den Kinderschuhen steckt. Die Zukunft wird zeigen, wie sich dieser Prozess weiterentwickelt und ob substantielle Bemühungen zur Umsetzung unternommen werden. Aufgrund des hohen Drucks, der auf den Walen und Delfinen in der Region lastet, darf aber absolut keine weitere Zeit verloren werden“, analysiert Nicolas Entrup.