Tiere in der Landwirtschaft. Milchkühe, Mastrinder, Schweine, Legehennen, Masthühner, Schafe, Ziegen. Noch etwas? Ja, es gibt auch die Vergessenen unter den landwirtschaftlich genutzten Tieren und ein prominentes Beispiel dafür ist das Truthuhn, in der Landwirtschaft auch Pute genannt.

In den Schlachthöfen der 27 EU-Länder werden pro Jahr etwa 190 Millionen Truthühner geschlachtet, d.h. in jeder Minute eines Jahres werden 360 Puten getötet. Trotz dieser enormen Zahl spielt das Schicksal der Truthühner in der öffentlichen und der politischen Debatte praktisch keine Rolle. Und so kommen sie auch im EU-Tierschutzrecht nicht vor. Oder wie es eine Studie für das Europaparlament formuliert: „Das schlechte Wohlergehen von Truthühnern wird von keiner EU-Rechtsvorschrift verhindert. Wenn keine neuen EU-Rechtsvorschriften erlassen werden, sind Truthühner für den Großteil ihres Lebens in vielen Ländern der EU nicht geschützt.“

Was bedeutet das konkret? Puten werden auf extremes Wachstum, insbesondere der Brust, gezüchtet, auf engstem Raum zusammengepfercht, bekommen auf dem kotgetränkten Untergrund entzündete Fußballen und können selbst die grundlegendsten Verhaltensbedürfnisse nicht ausleben (Sozialverhalten, Bewegung, Nahrungssuche etc.). Da ist es kein Wunder, dass die Puten beginnen, sich gegenseitig zu verletzen. Die Reaktion darauf ist aber nicht, dass sie mehr Platz, Auslauf und Beschäftigungsmöglichkeit bekommen (wie in der Bio-Haltung), sondern es werden ihnen schon als Küken die Schnabelspitzen amputiert.

Sarah Wiener startet Initiative auf EU-Ebene

Die Truthühner brauchen also dringend Hilfe und so hat die Grüne Europa-Abgeordnete, Köchin, Bio-Landwirtin und Unternehmerin Sarah Wiener beschlossen, das Wohl der Puten zu einem der Schwerpunkte ihrer Parlamentsarbeit zu machen. Shifting Values hat die Freude, sie dabei inhaltlich und strategisch zu unterstützen. Das zentrale Ziel der Initiative von Sarah Wiener ist eine EU-Rechtsnorm zum Schutz der Truthühner.

© Martin Ludl

Österreich kann hier in mancher Hinsicht als Vorbild dienen. Als das EU-Land, das die besten Mindeststandards für die Putenhaltung hat (von den wenigen EU-Ländern, die überhaupt rechtliche Vorgaben haben), und dessen Regierung sich den Einsatz für EU-Mindeststandards ins Programm geschrieben hat, ist Österreich prädestiniert, hier Akzente zu setzen.

Die Situation in Österreich

Wenn wir die Besatzdichte – also die Frage, wie viele Tiere auf einer bestimmten Fläche gehalten werden dürfen – als einen wichtigen Indikator heranziehen, zeigt sich, dass diese in anderen EU-Staaten um die Hälfte höher ist als in Österreich. Oder anders ausgedrückt: Auf derselben Fläche, die in Österreich 100 Puten zur Verfügung steht, müssen sich etwa in Deutschland oder Polen 150 Tiere drängen. Da ausgewachsene Truthähne mehr als 20 kg wiegen, ist das ein sehr markanter Unterschied.

Natürlich ergibt sich daraus auch ein Preisunterschied. Noch ausgeprägter ist dieser bei der Bio-Putenhaltung, wo die Puten nochmal doppelt so viel Platz im Stall haben und dazu noch einen großen Auslauf, in dem sie viele ihrer Bedürfnisse ausleben können.

Wenn beim Einkauf nur der Preis den Ausschlag gibt, wird die bessere Tierhaltung nicht honoriert. In Österreich wird heute etwa so viel Putenfleisch produziert wie vor 25 Jahren, aber der Eigenversorgungsgrad ist aufgrund des steigenden Konsums gesunken. Vom Bio-Putenfleisch werden überhaupt vier Fünftel exportiert. Hier gibt es also Aufholbedarf, und zwar nicht nur beim einzelnen Konsumenten, sondern besonders auch bei der öffentlichen Hand, die im Einkauf für Krankenhäuser, Schulen etc. noch großteils zu den billigsten Importprodukten greift. So wird mit öffentlichem Geld Tierqual finanziert.

Diese Tatsache zeigt auch, dass wir eine Kennzeichnung nach der Haltungsform (wie bei den Schaleneiern) brauchen und auch eine Diskussion über den Wert von Tieren als Nahrungsmittel führen müssen. Gleichzeitig braucht es EU-weite Mindeststandards auf wissenschaftlicher Basis, die zumindest die österreichischen Putenhaltestandards nicht unterschreiten. Und genau das möchte Sarah Wiener mit ihrer Initiative bewirken.

Wir halten Sie über die Entwicklung der Puteninitiative von Sarah Wiener auf dem Laufenden.

Informationen zu Sarah Wieners Puten-Initiative:
https://www.sarah-wiener.eu/putenstandards/

https://www.news.at/a/wiener-politik-lernen-11717155