Der 10. Juli 2019 war der inzwischen fünfte Termin für die Entscheidung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) über eine Kapitalvergabe in Höhe von 100 Millionen Euro an den Geflügelfleisch-Giganten MHP. Und wieder musste die Bank den Punkt kurzfristig von der Tagesordnung nehmen – zu groß waren die Widerstände. Nächster Anlauf: 30. Oktober.
Die Vorgeschichte: MHP, ein Konzern mit Sitz in Zypern, mästet und tötet in der Ukraine mehr als 300 Millionen Hühner im Jahr. Die marktdominierende Stellung hat MHP nicht zuletzt der langjährigen Unterstützung durch die EBRD und andere Internationale Finanzinstitutionen zu verdanken. Im Gegensatz zu ihrer Aufgabe, die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern, haben diese Institutionen MHP zu einer quasi-monopolistischen Marktmacht in der Ukraine verholfen.
Anfang 2019 übernahm MHP das Geflügelfleischunternehmen Perutnina Ptuj mit Sitz in Slowenien. Die EBRD wollte dies zum Anlass nehmen, MHP neuerlich 100 Millionen Euro zuzustecken, um „die Strategie der MHP-Gruppe zu unterstützen, ihr Geschäft in der EU und anderen Staaten auszuweiten“. Diese Begründung ist für eine Bank, die mit öffentlichen Mitteln (!) operiert, schon seltsam genug. Aber die Übernahme war ja bereits erfolgt und bezahlt. Was sollte also mit dem Geld geschehen? Keine Information.
Unverdrossen setzte die EBRD denselben Projektvorschlag immer wieder unverändert auf die Tagesordnung des Direktoriums (Vertreter der Mitgliedstaaten). Schließlich war man gewöhnt, tun und lassen zu können, was man will, ohne dass die Öffentlichkeit etwas dazu zu sagen hat oder überhaupt informiert wird. Doch diesmal war es anders – der Widerstand war groß, wozu nicht zuletzt MHP selbst mit fragwürdigen Geschäftspraktiken im Zusammenhang mit Fleischexporten in die EU beigetragen hat. SHIFTING VALUES fasste im Auftrag der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt anlässlich der EBRD-Jahresversammlung im Mai 2019 die Argumente gegen eine neuerliche Kapitalvergabe an MHP zusammen.
Im Juni bekundete die EU-Kommission öffentlich ihre klare Ablehnung des EBRD-Projekts und forderte die EU-Mitgliedstaaten – sie halten die Mehrheit der Anteile an der EBRD – auf, der Kapitalvergabe die Zustimmung zu verweigern.
Die EBRD reagierte – aber nicht, indem sie das Projekt stornierte, sondern indem sie ihre Strategie änderte, um das Projekt doch noch irgendwie durchzubekommen. Nun wird es gnadenlos schöngeredet. Es wird spannend sein, zu sehen, ob sich die EU-Staaten davon blenden lassen. Davon abgesehen stellt sich der Beobachter die Frage: Warum ist es der EBRD so wichtig, MHP 100 Millionen Euro zu geben? Cui bono?
Fortsetzung folgt …