Ein internationaler Expertenworkshop befasste sich am 22. und 23.11.2017 in Split, Kroatien, mit der Problematik des Unterwasserlärms, insbesondere in Hinblick auf zahlreiche geplante Explorationen möglicher Ölvorkommen im südöstlichen Mittelmeer. In einer Pressemitteilung fassen die Veranstalter OceanCare und NRDC die Ergebnisse des Workshops zusammen.
Pressemitteilung
Kritik an Suche nach Ölvorkommen in südosteuropäischen Gewässern
Split, 24. November 2017: Die Suche nach neuen Ölressourcen steht nicht nur auf Grund der Diskussion über die Konsequenzen für das Weltklima in der Kritik, auch der bei der Suche verursachte Lärm durch Schallkanonen bereitet nicht nur Wissenschaftlern und Naturschützern Sorgen. Im Rahmen eines zweitägigen Workshops in Split, Kroatien, befassten sich 62 Teilnehmer aus 17 Staaten, darunter Sachbearbeiter von Umwelt- und Energieministerien und -behörden, internationalen Umweltabkommen und der EU-Kommission, Interessensvertreter aus den Bereichen Tourismus und Fischerei sowie Wissenschaftler und NGOs mit den negativen Auswirkungen des Unterwasserlärms auf die Meereslebewesen in südosteuropäischen Gewässern im Mittelmeer. Diese Region wird seit einigen Jahren von der Ölindustrie verstärkt ins Visier genommen, und zahlreiche seismische Aktivitäten sind geplant (siehe Grafik).
„Es kann nicht sein, dass rein wirtschaftliche Interessen der Ölindustrie nicht einmal vor Schutzzonen haltmachen und zu massiven Beeinträchtigungen der ohnehin schon vielfach gefährdeten Unterwassertierwelt führen“, sagt Undine Kurth, stellvertretende Kuratoriumsvorsitzende der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) und zweite Vizepräsidentin des Deutschen Naturschutzrings (DNR). „Die betroffenen Länder des östlichen Mittelmeerraums müssen einen umweltverträglichen Umgang bei der Suche nach Öl- und Gasvorkommen forcieren. Uns ist es wichtig, dass Umweltverträglichkeitsprüfungen, Eingriffsregelungen, Capacity Building, die Vernetzung von Gruppen der Zivilgesellschaft und die Einbindung von Experten, zum Beispiel auch aus der Tourismusbranche und Fischereiwirtschaft, berücksichtigt werden“, so Kurth.
„Die Teilnehmer an dem Workshop waren sich einig, dass die aktuelle Situation dringend verbessert werden muss. Es ist kontraproduktiv, wenn in Gebieten, in denen Fischereiaktivitäten verboten sind, mit Schallkanonen nach Öl gesucht wird und somit die Bemühungen, dass sich Fischbestände erholen können, gefährdet werden“, kommentiert Sigrid Lüber, Präsidentin von OceanCare, die Diskussionen und verweist auf eine aktuelle Publikation, die die negativen Auswirkungen von Lärm auf Fische und Wirbellose dokumentiert. „Die Erhaltung des marinen Ökosystems und der Fischbestände ist nicht verhandelbar. Es ist Allgemeingut für künftige Generation und unsere Verpflichtung dies zu schützen“, ergänzt Lüber.
„Die wohl auffälligste Folge von Unterwasserlärm sind Strandungen von Walen und Delfinen, aber die Ursache ist vielen Menschen gar nicht bewusst“, gab Dr. Ulrich Witte, DBU-Abteilungsleiter Umweltkommunikation und Kulturgüterschutz, zu bedenken. „Wir setzen daher auf Sensibilisierung und Dialog. Während in südwesteuropäischen Ländern wie Frankreich und Spanien die Gefahren des Unterwasserlärms bei der Ölsuche in zuständigen Ministerien und vor allem innerhalb der Zivilgesellschaft zunehmend adressiert werden, fehlen ein entsprechendes Problembewusstsein und die erforderliche Transparenz in südosteuropäischen Ländern. Die Veranstaltung soll Grundstein sein, das zu ändern“, so Witte.
„Wir müssen sicherstellen, dass die Behörden in der Region Zugang zu den aktuellsten Informationen haben und diese auch berücksichtigen. So zeigt die Evaluierung von Umweltverträglichkeitsgutachten der Ölfirmen, dass diese mangelhaft sind und vielfach Fehlinformationen beinhalten“, beschreibt Nicolas Entrup, Sprecher von OceanCare und NRDC, die Praxis. „Ein aktueller Antrag zur Ölsuche in Gewässern Montenegros ignoriert Sichtungen der bedrohtesten Meeressäugerart im Mittelmeer, der Mönchsrobbe, ebenso wie beschlossene Anforderungen an die Staaten, insbesondere tieftauchende Schnabelwale vor intensiven Lärmquellen zu schützen“, kritisiert Entrup ein aktuell anhängiges Verfahren.
Nach Fachreferaten unterschiedlicher Disziplinen, unter anderem über die Auswirkungen von Lärm auf Fischbestände und die gesamte marine Nahrungskette sowie über mögliche alternative Technologien, die weniger Lärm erzeugen, diskutierten die Teilnehmer mögliche Aktionsschritte, die die Situation in der Region verbessern können. Ein umfassender Aktionsplan wurde entworfen und bedarf der finalen Abstimmung in den kommenden Tagen.
Einige der wichtigsten Schwerpunkte, die es nach Ansicht der überwiegenden Anzahl der Teilnehmer anzugehen gilt, sind:
- Umsetzung der Richtlinien der Bonner Konvention für die Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen im Vorfeld von lärmverursachenden Aktivitäten in nationales Recht
- Reduktion seismischer Aktivitäten in der Region
- Verpflichtung zur Entwicklung und zum Einsatz von Technologien, die leiser sind als die aktuell genutzten Schallkanonen und diese ersetzen sollen
- Entsprechend den Zielen des Pariser Abkommens öffentliche Gelder nicht für die Ölindustrie, sondern für lärmreduzierende Maßnahmen und die Entwicklung von Alternativtechnologien bereitstellen etc.
Die beiliegende Grafik zeigt die Regionen der aktuell geplanten Explorationstätigkeiten in südosteuropäischen Gewässern sowie im südöstlichen Mittelmeer. Bei der Suche nach Öl werden Schallkanonen eingesetzt, die über mehrere Wochen bzw. Monate hinweg alle 10 bis 12 Sekunden gegen den Meeresboden gerichteten Explosionsschall mit bis zu 260 Dezibel ins Meer aussenden und somit eine Bedrohung für zahlreiche Meeresbewohner darstellen. Die Auswirkungen des Explosionsschalls gehen weit über das Gebiet der eigentlichen Explorationstätigkeiten hinaus und stellen auch eine besondere Herausforderung für die bilaterale und multilaterale Zusammenarbeit zwischen Staaten dar. Im Oktober 2017 verabschiedeten Vertreter von 120 Staaten im Rahmen der Tagung der Bonner Konvention zur Erhaltung wandernder Tierarten in Manila Richtlinien zur Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen im Vorfeld von lärmverursachenden Aktivitäten.
Der zweitägige Workshop wurde von den zwei Naturschutzorganisationen OceanCare und NRDC, mit fachlicher und finanzieller Unterstützung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), organisiert und abgehalten. Anlass waren Informationen über das verstärkte Interesse von Ölfirmen an der Suche nach Öl- und Gasvorkommen in südosteuropäischen Gewässern.
Rückfragehinweis: Nicolas Entrup, Sprecher für OceanCare und NRDC, T. +43 660 211 9963, email: nentrup@oceancare.org