Fazit zur Internationalen Walfangtagung:

Portorož/Wädenswil, 28. Oktober 2016. Die internationale Meeresschutzorganisation OceanCare zieht gemischte Bilanz zur 66. Jahrestagung der Internationalen Walfangkommission (IWC), die heute im slowenischen Portorož endet.

Neben der Bewertung der Ergebnisse sieht OceanCare vor allem zwei Herausforderungen für die Zukunft dieses Fachgremiums:

1. Rolle der Europäischen Union als wichtigster Stimmenblock zentral:
Die EU muss eine Vision für die Zukunft des Walschutzes entwickeln, um zu einer führenden Kraft innerhalb der IWC zu werden. «Wale unterliegen innerhalb der EU-Naturschutzgesetzgebung striktem Schutz und dürfen nicht bejagt werden. Diese Werte gilt es, aktiv durch gezielte Initiativen in internationale Foren zu tragen und eine Vorreiterrolle im Walschutz einzunehmen. Die EU hat das bisher nicht ausgeschöpfte Potential, die IWC in eine Zukunft zu führen, die dem Tier- und Artenschutz gerecht wird», sagt Nicolas Entrup, Sprecher von OceanCare. Die Europäische Union hatte an der Jahrestagung keine eigenen Initiativen eingebracht.

2. Das Fachgremium braucht bessere Vollzugsmechanismen:
Die IWC braucht, wie in zahlreichen internationalen Fischereiorganisationen und beim Washingtoner Artenschutzübereinkommen üblich, bessere Vollzugsmechanismen, um Verstöße gegen das Abkommen ahnden zu können. «Die IWC braucht Zähne», bringt es Nicolas Entrup von OceanCare auf den Punkt und erläutert: «Ohne Vollzugsmechanismen ist auch in Zukunft nicht zu erwarten, dass sich Staaten an Beschlüsse der IWC halten. Vielleicht bedarf es aber auch einer Lösung dieser Frage außerhalb der IWC bei den Vereinten Nationen, da sich ja Japan nicht einmal an das Urteil des Internationalen Gerichtshofes hält.» Japan setzte ohne Prüfung des wissenschaftlichen Walfangprogrammes durch die IWC seine Waljagd fort. «Für eine Bewertung des aktuell eingerichteten neuen Prüfverfahrens ist es aber noch zu früh», sagt Entrup.

Fabienne McLellan von OceanCare sieht aber auch zahlreiche positive Initiativen der IWC, die aufzeigen, dass sich das Gremium – wenn auch langsam – transformiert und den Schwerpunkt vermehrt auf Walschutzinitiativen legt. «Die internationale Kooperation zur Reduktion des Beifangs und die Entwicklung von Maßnahmen zur Erhaltung stark vom Aussterben bedrohter Wal- und Delphinarten sind Beispiele, dass zahlreiche Staaten innerhalb der IWC erkennen, dass effizienter Walschutz nur ganzheitlich funktionieren kann».

Die nächste IWC-Tagung findet 2018 in Brasilien statt. OceanCare erwartet eine schwierige Konferenz, da es zur Erneuerung der Walfangquoten für indigene Völker kommt. Diese Fangquotenvergabe wird erfahrungsgemäß dahingehend politisiert – wie es bereits in jüngerer Vergangenheit geschah –, dass der Pro-Walfangblock die Zustimmung von Fangquoten für die Inuit in den USA verweigert, wenn es im Gegenzug nicht Zugeständnisse an die Interessen der Walfangstaaten gibt. Es ist auch zu erwarten, dass Brasilien intensiv für die Zustimmung zur Einrichtung des Walschutzgebietes im Südatlantik werben wird. «Ein Kuhhandel ist vorprogrammiert. Doch hoffentlich nicht auf dem Buckel der Wale», sagt Entrup abschließend besorgt.

Die konkreten Ergebnisse der IWC-Tagung im Überblick:

  • Die Resolution Australiens und Neuseelands zum Wissenschaftswalfang wurde per Mehrheitsentscheid angenommen. Ein Konsens war aufgrund des Widerstandes von Japan und seinen üblichen Unterstützern nicht möglich. Künftig werden neue Wissenschafts-Walfangprogramme einer eingehenden, unabhängigen Prüfung durch die IWC und ihren Wissenschafts-Ausschuss unterzogen. Japan darf an diesem Verfahren nur als Beobachter teilnehmen und muss umfassenden Zugang zu den Forschungsdaten gewährleisten.
  • Obwohl der kommerzielle Walfang als ureigenes Thema der IWC nicht auf der offiziellen Agenda war, kritisierte die EU-Kommission die Walfangaktivitäten von Island und Norwegen, die das Walfangverbot untergraben. Seit Inkrafttreten des Moratoriums 1986 fielen rund 15‘000 Zwerg- und Finnwale im Nordatlantik den Harpunen der europäischen Walfängern zum Opfer. Die EU-Kommission rief die beiden nordischen Länder auch auf, ihren eskalierenden Export von Walfangprodukten umgehend zu stoppen.
  • Der Antrag fünf afrikanischer Länder (Ghana, Elfenbeinküste, Mali, Guinea und Benin), Walfang zur Nahrungssicherung durchzubringen, wurde vertagt. Es war einer der vergeblichen Versuche Japans, den kommerziellen Walfang über eine neue Hintertür zu legalisieren.
  • Die Resolution zur zentralen Bedeutung von Walen für die marinen Ökosysteme erreichte ebenfalls die Mehrheit. Diese Resolution betont, wie wichtig die Meeresgiganten für gesunde und produktive Meere sind und wie die Wale zur Reduzierung des Klimawandels beitragen.
  • Auf Antrag Brasiliens und Kolumbiens wurde eine enge Zusammenarbeit zwischen der IWC und der Minamata-Konvention beschlossen. Die Minamata-Konvention trat 2013 in Kraft, um gesundheitliche Gefahren durch Quecksilber einzudämmen. Die japanische Stadt Minamata war in den 1950er Jahren Opfer einer industriellen Quecksilbervergiftung, tausende Menschen starben, zehntausende erkrankten schwer. Ausgerechnet Japan war der größte Gegner der Resolution.
  • Eine Resolution zum Schutz der vom Aussterben bedrohten Vaquitas (kalifornische Schweinswale) wurde im Konsens angenommen. Japan sowie zahlreiche karibische und afrikanische Länder nahmen sich von der Entscheidung aus, blockierten den Vorschlag aber nicht.
  • OceanCare fordert klarere Vollzugsmaßnahmen bei Verstößen gegen die Bestimmungen der IWC. In einer gemeinsamen Stellungnahme mit zwölf weiteren NGOs adressiert OceanCare die mangelnden Vollzugsmöglichkeiten in diesem Gremium und verweist auf die Handhabung in anderen internationalen Foren.
  • Der Antrag von Argentinien, Brasilien, Gabun, Südafrika und Uruguay nach einem großen Walschutzgebiet im Südatlantik ist mit 38 Ja- zu 24 Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen abgelehnt worden.
  • •    Kleiner Küstenwalfang: Japan drängt die IWC seit Jahren, den Walfang im Nordwestpazifik zu legalisieren und diesen als neue Kategorie „Küstenwalfang“ anzuerkennen – unter dem Vorwand, Küstengemeinden seien dringend auf Nahrung aus dem Meer angewiesen. Japan gab während der Tagung überraschend klar zu, dass dieser Walfang kommerzielle Aspekte birgt. Der Antrag für eine entsprechende Quote fand während der Diskussion keine Unterstützung und wurde auf die nächste IWC-Konferenz 2018 vertagt.

OceanCare ist mit Nicolas Entrup und Fabienne McLellan an der IWC-Tagung in Slowenien vertreten; beide berichten regelmäßig in einem Online-Blog über ihre Erfahrungen.

Medienkontakte
Nicolas Entrup, Konsulent für OceanCare: M: (+43) 660 211 9963, n.entrup@shiftingvalues.com, Skype: ledzep2878 (in Slowenien von 19.-28. Oktober 2016)

Fabienne McLellan, stv. Leiterin Internationale Zusammenarbeit bei OceanCare: M: (+41) 79 456 77 07, fmclellan@oceancare.org, Skype: fabienne.boller1 (in Slowenien von 19.-28. Oktober 2016)

Sigrid Lüber, Präsidentin und Leiterin Internationale Zusammenarbeit bei OceanCare, Wädenswil: T: (+41) 44 780 66 88, M: (+41) 79 475 26 87, slueber@oceancare.org.

Weiterführende Links und Informationen:
IWC-Dokumente: https://iwc.int/iwc66docs

Über OceanCare
Seit 1989 setzt sich OceanCare weltweit für die Meerestiere und Ozeane ein. Im Juli 2011 erhielt die Organisation vom Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen den UN-Sonderberaterstatus zugesprochen. OceanCare hat seit 1992 Beobachterstatus an der IWC und ist seit 2015 im Wissenschaftsausschuss der IWC vertreten. In Slowenien setzt sich OceanCare auch dieses Jahr dafür ein, dass die Wale optimalen Schutz erhalten. www.oceancare.org/walschutz