BLACKFISH

Dokumentarfilme haben trotz der Vielfalt behandelter Themen oft auch einige – nicht immer positive – Gemeinsamkeiten. Dazu zählen z.B. geringe Zuschauerzahlen, insbesondere in den Kinos, späte Sendezeiten im TV und der Ruf, nur eine kleine Klientel an Wissensdurstigen zu bedienen. All dies hatten sich die Verantwortlichen des Vergnügungsparkkonzerns SeaWorld Entertainment vermutlich gedacht, oder zumindest gewünscht, als im Jahr 2013 der Streifen BLACKFISH veröffentlicht wurde.

Zwei Jahre später sieht sich SeaWorld gezwungen, Millionen in Marketing und PR-Budgets zu investieren, um eine Talfahrt zu stoppen, die den Konzern seither erschüttert und – geht es nach Tier-, Arten- und Umweltschützern – zu einem Meilenstein führen soll: dem Ende der Gefangenschaftshaltung von Orcas.

BLACKFISH, mehrfach preisgekrönter Dokumentarfilm der Filmemacherin Gabriela Cowperthwaite, erzählt die Geschichte des männlichen Orcas Tilikum, der zunächst in isländischen Gewässern gefangen wird und nach mehreren Stationen in unterschiedlichen Becken bei SeaWorld in Florida landet. Während nun jedes Jahr Millionen von Touristen Shows beklatschen, in denen Schwertwale aus dem Wasser springen und die grölende Menge nass spritzen, öffnet Cowperthwaite den Vorhang und gewährt einen Einblick hinter die Kulissen in den tristen Alltag der gefangenen schwarzweißen Meeresriesen. Tilikums Leben in einem Betonbecken steht auch mit dem Tod dreier Menschen in Zusammenhang. Gesteigerte Aggression, Reizarmut, Monotonie und Isolation als Alltag eines Meeressäugers, der in freier Wildbahn zu den sozialsten Lebewesen gehört.

Doch was BLACKFISH so besonders macht, ist das Offenlegen der eigentlichen Achillesferse des Vergnügungsparkkonzerns, der dem Besucher stets eine heile Welt vorzugaukeln versucht: die zahlreichen Trainer, die entmutigt, enttäuscht, frustriert und einsichtig über die Realität hinter den Kulissen berichten.

Und irgendwann kommt eben doch einiges ans Tageslicht. So auch die Tatsache, dass Jim Atchison, ehemaliger Geschäftsführer von SeaWorld, just in jenem Zeitraum einen Teil seiner Firmenanteile (laut zahlreichen Medienberichten im Wert von etwa 4,5 Mio. US$) veräußert hatte, als das Unternehmen den Aktionären noch vorspiegelte, dass BLACKFISH keine negativen Auswirkungen auf die wirtschaftliche Performance haben werde. Wenig später – im August 2014 – wurde jedoch genau das bestätigt und als Mitgrund für die schlechten Quartalszahlen und den fortwährenden Rückgang der Besucherzahlen genannt. Im September 2014 reichten dann einige Aktionäre eine Klage ein, da sie sich falsch bzw. irreführend informiert sahen. Der Aktienkurs SeaWorlds war zu diesem Zeitpunkt bereits um etwa 30% gefallen. Die Talfahrt ging weiter und im Januar 2015 trat Jim Atchison als CEO zurück.

Aufkündigung von Werbeverträgen, Abspringen von Musikern von geplanten Veranstaltungen bei und mit SeaWorld, politische Initiativen zur Untersagung der Haltung von Orcas in Gefangenschaft – auf all das reagiert der Vergnügungsparkbetreiber nur mit Maßnahmen, die das Kernproblem weiterhin ausblenden. Der Konzern setzt auf die Entwicklung neuer Werbekampagnen, neue Zielgruppen (in Lateinamerika und Asien), sowie einen geplanten Ausbau der Beckenanlagen um hunderte Millionen US$ in den kommenden drei bis fünf Jahren.

Man verkennt dabei die große Chance, jenen Schluss zu ziehen und umzusetzen, der in unserer Gesellschaft schon längst überfällig ist: die Einsicht, dass es Tierarten gibt, die man nicht tier- oder artgerecht in Gefangenschaft halten kann – und somit nicht halten DARF.

Die Problematik der Orca-Haltung liegt nicht lediglich in der Größe, Tiefe und Struktur der Becken. Diese werden stets nur ein winziges Bassin gegenüber dem eigentlichen Lebensraum dieser größten Delfinart sein. Nein, das eigentliche Drama ist die Tatsache, dass wir es hier mit äußerst komplexen, hoch entwickelten Tieren zu tun haben, die in engen Sozialgruppen leben, sich durch eigene Dialekte unterscheiden und in den Weltmeeren unterschiedliche Formen von sozialen Verbänden, Jagdverhalten und Nahrungsgewohnheiten entwickelt haben. Nicht grundlos sprechen Wissenschaftler von Wal- und Delfin-Kulturen.

Im Sog von BLACKFISH intensivieren zahlreiche Wissenschaftler und NGOs, darunter OceanCare, Humane Society International, WDC und Animal Welfare Institute, ihre Aufklärungsarbeit, um darauf hinzuweisen, dass die Fortsetzung der Haltung dieser Tiere auch die Fortsetzung des Fangs aus freier Wildbahn bedeutet. Nachdem über die Jahre hinweg ein Land nach dem anderen den Fang von Orcas in freier Wildbahn untersagte oder Behörden keine Genehmigungen mehr ausstellten (Argentinien, Island, Kanada, USA …), fanden Agenten der Vergnügungsparkindustrie mit Russland ein Land, das weiterhin Wildentnahmen von Orcas genehmigt. 2012 und 2013 wurden insgesamt sieben Schwertwale in Russland ihren Familiengruppen entrissen und in Delfinarien gebracht. Im Jahr 2014 waren es mindestens weitere sieben Tiere, die gefangen wurden. Zwei Orcas wurden in eine neue Anlage nach China geflogen.

Der Fangort ist aus der Sicht jener Interessensgruppen gut gewählt, sucht man sich doch stets Regionen, in denen eine kritische Bürgerreaktion nicht unmittelbar zu erwarten ist. Doch auch in Russland nimmt die Kritik an den Praktiken zu und stützt sich nicht lediglich auf den Protest international agierender Organisationen, sondern auch engagierter Akademiker. Im Rahmen eines Langzeitprojektes erforschen russische Studenten in Zusammenarbeit mit erfahrenen Wissenschaftlern das Sozialverhalten, die Jagdmethoden und die Kommunikation der Orcas vor Kamtschatka, genau in jenen Gewässern, in denen auch die Fangaktionen stattfinden. Die Ergebnisse der Wissenschaftler sprechen eine deutliche Sprache und zeigen die negativen Auswirkungen der Wildentnahmen.

Bedenkt man jedoch, mit welchen Mitteln das Projekt der passionierten russischen Studenten auskommen muss, und welche Mittel SeaWorld in ein Auslaufmodell von Zirkusshows investiert, zeigt sich das wahre Ausmaß der Tragödie. Für Forschung, Wissenschaft und auf den Erkenntnissen aufbauende Schutzmaßnahmen zur Erhaltung der Tiere fehlen oft die Mittel, um langfristig effizient arbeiten zu können.

Im März 2014 brachten wir BLACKFISH in die österreichischen Kinos, um auch hierzulande auf die Machenschaften SeaWorlds aufmerksam zu machen. Und auch in diesem Jahr wollen wir von Shifting Values uns für den Schutz von Orcas engagieren: #RunningforOrcas ist eine Initiative von SHIFTING VALUES, einer in Österreich ansässigen, international tätigen und aktiven Kampagnenagentur, die die Fortsetzung der unabhängigen wissenschaftlichen Arbeit von FEROP – Far East Russia Orca Project – mit der Crowdfunding-Kampagne „Running for Orcas“ unterstützt. 9 LäuferInnen stellen sich am 12. April der Herausforderung beim Vienna City Marathon und sammeln Spenden, die zu 100% an FEROP weitergeleitet werden. Die Mittel werden für die Anschaffung von neuem Equipment für die ForscherInnen benötigt.

Ich richte diesmal auch eine Bitte an die LeserInnen dieses Blogs: Bitte helfen Sie uns, FEROP bei ihrer so wichtigen Arbeit zu unterstützen. Jeder im Rahmen der vorgestellten Crowdfunding-Initiative gespendete Cent wird zu 100% direkt an das Projekt in Russland überwiesen! Wir danken Ihnen im Namen von FEROP und den in den Gewässern vor Kamtschatka lebenden Orcas für Ihre Hilfe.

Ihre Unterstützung für die Erforschung und den Schutz von Orcas in Russland!
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Video über das FEROP-Projekt

Blog der Läuferinnen und Läufer

Für Spenden erhält man attraktive Dankespakete, die von den Organisationen OceanCare und WDC zur Verfügung gestellt wurden!